Kündigung während Krankengeldbezug – so geht es weiter
Sie erhalten Krankengeld und Ihr Arbeitgeber hat Ihnen gekündigt? Hier erfahren Sie, wie Sie reagieren und ob Ihr Krankengeld weiterläuft.
Außerdem erklären wir, ob Sie selbst im Krankengeldbezug kündigen sollten.
Das Wichtigste:
- Der Arbeitgeber darf während des Krankengeldbezugs nach den üblichen Regeln kündigen. Ein Kündigungsverbot wegen der Krankheit besteht nicht.
- Ihr Krankengeld läuft nach der Kündigung grundsätzlich weiter. Die Leistung wird allerdings für meist 12 Wochen gesperrt, wenn Sie wegen eines Fehlverhaltens gekündigt wurden.
- Wenn Sie selbst im Krankengeldbezug kündigen, müssen Sie ebenfalls mit einer Sperrzeit von 12 Wochen beim Krankengeld rechnen. Ausnahmen gelten, wenn Sie einen wichtigen Grund für die Kündigung hatten.
- Nach einer Kündigung des Arbeitgebers haben Sie nur drei Wochen Zeit, um zu klagen.
Krankengeld, Entgeltfortzahlung & Co. – was ist was?
Die unterschiedlichen Leistungen bei Krankheit können verwirren. Wir erklären deshalb hier die Grundsätze. Auf die Situation nach einer Kündigung gehen wir in den Abschnitten darunter ein.
So sind Sie in der Regel bei Krankheit finanziell versorgt:
Ihre Situation | Ihre Versorgung |
Sie sind noch nicht länger als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt. Ihr Arbeitsverhältnis besteht noch. | Der Arbeitgeber muss Ihnen Entgeltfortzahlung leisten. Ihr gewöhnliches Gehalt läuft also weiter. Ausnahmen bestehen, wenn Sie die Krankheit selbst verschuldet haben (z.B. durch hochriskante Sportarten) oder noch keine vier Wochen im Unternehmen arbeiten. |
Sie sind bereits länger als sechs Wochen wegen desselben Leidens krankgeschrieben. | Sie erhalten bis zu 78 Wochen lang Krankengeld von der Krankenkasse. Die Höhe beträgt grundsätzlich 70% Ihres Bruttoentgelts. |
Ihr Krankengeld ist ausgelaufen (nach 78 Wochen im Bezug). | Sie erhalten ggf. eine Erwerbsminderungsrente, Bürgergeld oder müssen an Ihr Erspartes. Zur Überbrückung wird ggf. Arbeitslosengeld gezahlt (Nahtlosregelung). |
Darf der Arbeitgeber während Krankengeldbezug kündigen?
Ja. Eine Kündigung im Krankengeldbezug durch den Arbeitgeber ist grundsätzlich möglich. Auch kranken Arbeitnehmern darf gekündigt werden.
Allerdings gelten strenge Voraussetzungen:
Kündigung wegen Krankheit
Eine Kündigung wegen Ihrer Krankheit ist nur unter diesen Umständen rechtmäßig:
- Ihnen ist eine persönlich unterschriebene Kündigung zugegangen.
- Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat angehört (wenn es einen gibt).
- Sie werden auch in Zukunft oft oder lange krank sein. Bisherige Fehlzeiten allein genügen nicht.
- Eine andere oder angepasste Stelle im Unternehmen kommt nicht in Betracht.
Hier erfahren Sie mehr zur krankheitsbedingten Kündigung.
Eine Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer wegen Krankheit ist noch schwieriger. Daher sollten Sie klären, ob Sie als schwerbehindert gelten.
Kündigung aus anderen Gründen
Der Arbeitgeber kann auch aus anderen Gründen kündigen. Während des Krankengeldbezugs gelten die üblichen Voraussetzungen. Ihr Krankengeldbezug verbietet eine Kündigung nicht.
In Betracht kommen zum Beispiel eine betriebsbedingte Kündigung, eine Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs oder wegen Krankfeierns.
Nur in Extremfällen muss der Arbeitgeber mit einer Kündigung zunächst abwarten. Juristen sprechen dann von einer Kündigung zur Unzeit, die allein wegen ihres Zeitpunkts rechtswidrig ist. Der Arbeitgeber kann dann aber einige Tage später erneut kündigen.
Beispiele:
Kündigung unmittelbar vor Operation aufgrund einer Todgeburt (BAG, Urteil vom 12.12.2013 – 8 AZR 838/12)
Kündigung am Tag eines schweren Arbeitsunfalls: „Eine Kündigung, die einem Arbeitnehmer nach einem schweren Arbeitsunfall am gleichen Tage im Krankenhaus unmittelbar vor einer auf dem Unfall beruhenden Operation ausgehändigt wird, ist auch dann als „Kündigung zur Unzeit“ gemäß § 242 BGB nichtig, wenn Motiv für die Kündigung nicht der Unfall, sondern betriebsbedingte Gründe waren, zu denen zuvor der Betriebsrat angehört wurde.“
(Landesarbeitsgericht Bremen, Urteil vom 29. Oktober 1985 – 4 Sa 151/85)
Läuft das Krankengeld nach der Kündigung weiter?
Ja. Die Kündigung durch den Arbeitgeber ändert in aller Regel nichts an Ihrem Krankengeldbezug.
Krankengeld läuft weiter
Sie erhalten wegen der Kündigung nicht länger oder kürzer Krankengeld.
Das bedeutet:
- Sie können insgesamt bis zu 78 Wochen lang Krankengeld von der Krankenkasse erhalten. Die Krankenkasse zahlt die Leistung.
- Die Höhe beträgt 70% des regelmäßigen Bruttoentgelts, allerdings maximal 60% des Nettoentgelts oder 70% des Höchstregelentgelts (für 2024 also max. 120,75 Euro Krankengeld täglich).
Beispiel:
Sie beziehen bereits seit 28 Wochen Krankengeld. Nun wird Ihnen gekündigt. Sie können grundsätzlich bis zu 50 weitere Wochen Krankengeld erhalten.
Ausnahme: Sperrzeit
Beachten Sie eine wichtige Ausnahme, wenn Sie verhaltensbedingt oder fristlos gekündigt wurden:
Das Krankengeld kann dann bis zu 12 Wochen lang gesperrt sein (§ 49 Abs. 1 Nr. 3b SGB V). Im Falle besonderer Härte kann der Zeitraum auf die Hälfte gekürzt werden.
Der Grund: Die Krankenkasse bzw. das Arbeitsamt gibt Ihnen die Schuld an der Kündigung. Schließlich wirft Ihnen der Arbeitgeber ein Fehlverhalten vor. Sie sollen deshalb weniger Krankengeld erhalten.
Beispiele: Sie wurden – fristlos oder mit Frist – gekündigt, weil Sie
- häufig zu spät waren.
- Kollegen beleidigt haben.
- Spesen falsch abgerechnet haben.
- schlecht gearbeitet haben, obwohl Sie es besser könnten.
Reduziert eine Abfindung das Krankengeld?
Nein. Eine echte Abfindung verringert das Krankengeld nicht. Anders kann es sein, wenn mit der Abfindung ausstehendes Gehalt beglichen wird.
Erhalten Sie überhaupt eine Abfindung?
Das hängt von Verhandlungen ab. Der Arbeitgeber muss Ihnen in der Regel keine Abfindung zahlen – auch nicht nach einer Kündigung im Krankengeldbezug.
Trotzdem haben Sie oft gute Chancen, eine Abfindung zu verhandeln. Im Gegenzug akzeptieren Sie die Kündigung. Daran hat der Arbeitgeber ein großes Interesse. Die Abfindung wird dann in einem Abwicklungsvertrag oder im Zuge der Kündigungsschutzklage vereinbart (mehr zur Abfindung per Kündigungsschutzklage).
Je offensichtlicher die Kündigung rechtswidrig ist, desto höhere Beträge können Sie erwarten. Als Faustregel hat sich etabliert, dass Sie pro Jahr im Unternehmen ein halbes Bruttomonatsgehalt bekommen. Allerdings kann die Abfindung deutlich höher ausfallen.
Wann die Abfindung das Krankengeld doch reduziert
Wie gesagt, verringert eine Abfindung Ihr Krankengeld in aller Regel nicht.
Davon gibt es eine Ausnahme: Manche Abfindungen gleichen offenes Gehalt aus.
Sie erhalten damit also keine echte Abfindung, sondern eher eine Nach- oder Vorauszahlung Ihres Gehalts. Dann steht Ihnen im Zeitraum, für den das Gehalt bezahlt wird, kein Krankengeld zu.
Beispiele:
- Der Arbeitgeber kündigt Ihnen und bezahlt Sie nicht weiter. Sie erhalten daraufhin Krankengeld. Im Prozess weist das Gericht darauf hin, dass der Arbeitgeber Sie hätte weiterbezahlen müssen (Annahmeverzugslohn). Sie einigen sich sodann auf eine Abfindung, die auch das Gehalt für den unbezahlten Zeitraum ausgleichen soll. Die Krankenkasse kann das Krankengeld für diesen Zeitraum von Ihnen zurückverlangen (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 28. Januar 2014 – L 6 KR 27/12; BSG, Urteil vom 16. Februar 2005 – B 1 KR 19/03 R)
- Ihr Arbeitgeber kündigt Ihnen. Sie vereinbaren vor Gericht, dass das Arbeitsverhältnis in zwei Monaten enden wird. Das Gehalt für diese Dauer wird in die Abfindung einbezogen. Für die verbleibenden zwei Monate, für die Sie per Abfindung bezahlt werden, können Sie grundsätzlich keine Abfindung verlangen.
Gut für Sie: Ihr Krankengeld verringert sich nicht, wenn Sie mit der Abfindung für Zeiträume nachbezahlt werden, in denen Sie kein Krankengeld erhalten haben (vgl. BSG, Urteil vom 16. Februar 2005 – B 1 KR 19/03 R).
Beispiel:
Ihr Arbeitgeber kündigt Ihnen. Als Sie noch gesund waren, haben Sie zahlreiche Überstunden geleistet. Der Arbeitgeber hat diese noch nicht bezahlt. Sie einigen sich deshalb auf eine Abfindung, die zum Teil auch die Überstunden vergüten soll. Ihr Krankengeld verringert sich dadurch nicht.
Trotzdem raten wir dazu, offenes Gehalt und Abfindung in einem Abwicklungs- oder Aufhebungsvertrag klar zu trennen.
Die Abgeltung von offenem Resturlaub nach der Kündigung verringert Ihr Krankengeld ebenfalls nicht (BSG, Urteil vom 30. Mai 2006 – B 1 KR 26/05 R).
Selbst kündigen während Krankengeldbezug ist riskant
Wenn Sie Krankengeld erhalten und selbst kündigen, droht Ihnen eine Sperrzeit. Sie erhalten dann in der Regel 12 Wochen lang kein Krankengeld.
Allerdings gibt es Ausnahmen, in denen Ihr Krankengeld trotz Eigenkündigung nicht gesperrt wird. Sie müssen einen wichtigen Grund für Ihre Kündigung darlegen. Es gelten dieselben Grundsätze wie beim Arbeitslosengeld.
Beispiele:
- Eigenkündigung im Krankengeldbezug, weil Sie Ihre Arbeit wegen der Krankheit nicht mehr ausüben können (Lehrer mit Depressionen, wichtiger Grund verneint: Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 30. Juni 2016 – L 3 AL 130/14).
- Eigenkündigung im Krankengeldbezug, um mit dem Ehepartner wegen dessen neuer Stelle umzuziehen (BSG, Urteil vom 20. April 1977 – 7 RAr 112/75). Bei nicht-ehelicher Beziehung grundsätzlich erst ab drei Jahren Dauer und gefestigter Beziehung (BSG, Urteil vom 29. April 1998 – B 7 AL 56/97 R).
- Arbeitnehmer kündigt selbst, weil der Arbeitgeber sich nicht an Arbeitsschutzvorschriften hält und den Mitarbeiter überfordert (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 18. 6. 2009 – L 9 AL 129/08).
Kündigung im Krankengeldbezug erhalten – was tun?
Wenn Sie vom Arbeitgeber eine Kündigung erhalten haben, sollten Sie schnell reagieren:
Kündigung prüfen
Viele Kündigungen im Krankengeldbezug sind rechtswidrig. Sie sollten die Entlassung daher von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht prüfen lassen.
Sie haben allerdings nur drei Wochen Zeit, um gegen die Kündigung zu klagen. Die Frist beginnt mit Zugang des Schreibens. Wenn Sie nicht klagen, wird die Kündigung automatisch wirksam.
Wenn Sie rechtzeitig klagen, können Sie ggf. Ihre Stelle retten oder eine attraktive Abfindung aushandeln.
Krankenkasse benachrichtigen
Sie sollten Ihre Krankenkasse, von der Sie das Krankengeld beziehen, über die Kündigung informieren.
Arbeitssuchend melden
Wenn Sie zumindest 15 Stunden in der Woche arbeiten können (ggf. in anderen Berufen), sollten Sie sich arbeitssuchend melden. Unter Umständen haben Sie dann Anspruch auf Arbeitslosengeld.
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