Aufhebungsvertrag widerrufen – so geht‘s
Ein Aufhebungsvertrag soll das Arbeitsverhältnis einvernehmlich beenden. Manch ein Arbeitnehmer bereut den Entschluss und möchte den Aufhebungsvertrag widerrufen. Je nach Fall ist es tatsächlich möglich, den Aufhebungsvertrag rückgängig zu machen. Wir erklären, was Sie dazu wissen müssen.
Der Aufhebungsvertrag – Worauf habe ich mich eingelassen?
Zunächst sollte man sich bewusst sein, was ein Aufhebungsvertrag genau ist. Im Gegensatz zur Kündigung handelt es sich beim Abschluss eines Aufhebungsvertrag um die einvernehmliche Aufhebung des Arbeitsverhältnisses. Durch die Unterschrift unter den Vertrag stimmen sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer der Auflösung zu.
Die Möglichkeit des Aufhebungsvertrages kann dem Arbeitnehmer zugutekommen, wenn er beispielsweise schnellstmöglich in einen neuen Job wechseln möchte. Auch der Arbeitgeber bietet oft einen Aufhebungsvertrag an, um sich geräuschlos zu trennen. Der Arbeitnehmer ist dann in einer guten Position, um eine attraktive Abfindung auszuhandeln. Allerdings bedeutet die Einvernehmlichkeit des Aufhebungsvertrags auch, dass die Chancen auf eine Rücknahme dieser Vereinbarung deutlich geringer sind als die erfolgreiche Verteidigung gegen eine einseitig ausgesprochene Kündigung des Arbeitgebers. Schließlich haben Sie sich als Arbeitnehmer freiwillig auf diesen Schritt eingelassen.
Wann können Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag zurücknehmen?
Auch wenn die Hürden für eine Rücknahme des Vertrags hoch sind, gibt es mehrere Möglichkeiten. Meistens ist die Rede von dem Widerruf eines Aufhebungsvertrages. Allerdings ist der Widerruf nur in äußerst seltenen Fällen möglich. Wahrscheinlicher ist eine Anfechtung oder ein Rücktritt. Folgende Optionen könnten sich bieten:
Unfair verhandelt
Im Rahmen der Vertragsverhandlungen muss der Arbeitgeber das Gebot fairen Verhandelns beachten. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Jahr 2019 und eröffnete damit eine neue Möglichkeit für die Rückabwicklung des Aufhebungsvertrages. Sie kommt etwa zum Tragen, wenn der Arbeitgeber mangelnde Sprachkenntnisse oder eine krankheitsbedingte Schwäche des Arbeitnehmers ausnutzt, um den Inhalt des Vertrages maßgeblich bestimmen zu können. Das BAG betonte allerdings, dass es hierbei nicht um die Schaffung einer „besonders angenehmen Verhandlungssituation“ gehe, sondern um „das Gebot eines Mindestmaßes an Fairness im Vorfeld des Vertragsschlusses“.
Arbeitgeber hat gedroht oder getäuscht
Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Vorfeld oder während der Verhandlungen gedroht oder ihn arglistig getäuscht, berechtigt dies grundsätzlich zur Anfechtung des Aufhebungsvertrages.
Ein klassisches Beispiel für eine Drohung des Arbeitgebers ist die Androhung einer Kündigung, sofern der Arbeitnehmer sich nicht auf den Aufhebungsvertrag einlässt. Eine solche ist nur dann zulässig, wenn der Arbeitgeber in dem konkreten Fall eine Kündigung ernsthaft in Betracht ziehen durfte. Wegen des hohen Kündigungsschutzes ist das oft nicht der Fall.
Eine arglistige Täuschung liegt dann vor, wenn der Arbeitgeber vorsätzlich einen Irrtum des Arbeitnehmers in Bezug auf Umstände rund um die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses hervorruft. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Arbeitgeber vortäuscht, dass die Stelle des betroffenen Arbeitnehmers ohnehin betriebsbedingt wegfallen werde. Glaubt der Arbeitnehmer dieser Lüge und stimmt deshalb der Trennung zu, ist der Aufhebungsvertrag anfechtbar.
Wenn die Anfechtung erfolgreich ist, wird der Aufhebungsvertrag unwirksam. Das Arbeitsverhältnis besteht dann in seiner ursprünglichen Form weiter.
Vertragliches Widerrufsrecht
Vorab: Es besteht kein allgemeines Widerrufsrecht bei Aufhebungsverträgen. Auch das Verbraucherschutzrecht gewährt kein entsprechendes Recht.
Vor Abschluss des Aufhebungsvertrags können Sie als Arbeitnehmer aber ein vertragliches Widerrufsrecht aushandeln. Der Arbeitgeber lässt sich ggf. darauf ein, wenn Sie noch Bedenkzeit benötigen, um verbindlich dem Aufhebungsvertrag zuzustimmen. Üblich ist dann etwa, dass Sie den Aufhebungsvertrag unterschreiben und binnen zwei Wochen widerrufen dürfen, wenn Sie sich umentscheiden sollten.
Arbeitgeber zahlt Abfindung nicht
Zahlt der Arbeitgeber die im Aufhebungsvertrag versprochene Abfindung nicht, steht Ihnen in der Regel ein Rücktrittsrecht zu. Denn die gänzlich ausbleibende oder auch verspätete Zahlung der Abfindung stellt eine Pflichtverletzung des Arbeitgebers dar, welche ein Rücktrittsrecht nach § 323 BGB auslöst. Hierfür müssen Sie als Arbeitnehmer in einigen Fällen eine angemessene Frist zur Zahlung setzen.
Vorsicht! Sollte sich der Arbeitgeber in einem Insolvenzverfahren befinden, ist der Rücktritt vom Aufhebungsvertrag grundsätzlich ausgeschlossen. In diesem Fall ist es durchaus möglich, dass Sie keine Abfindung mehr erhalten. Wir raten Ihnen daher, umgehend die Zahlung der Abfindung zu fordern, um Druck auszuüben.
Überraschende Umstände
Beim Abschluss des Aufhebungsvertrags werden Sie und der Arbeitgeber eine bestimmte Vorstellung davon gehabt haben, wie die Dinge sich im Unternehmen weiterentwickeln. Diese bilden die sog. Geschäftsgrundlage. Wenn sich die Vorstellung als falsch herausstellt und gänzlich andere Umstände eintreten, können Sie den Aufhebungsvertrag ggf. rückgängig machen. Die Rede ist von der Störung der Geschäftsgrundlage.
Klassisches Beispiel:
Ihr Arbeitgeber plant eine Standortschließung und Sie sind betroffen. Sie einigen sich im Juni auf einen Aufhebungsvertrag, wonach Sie Ende September das Unternehmen verlassen werden. Im Juli geht überraschend ein großer Auftrag ein und die Standortschließung ist vom Tisch. Sie können den Aufhebungsvertrag grundsätzlich rückgängig machen.
Achtung: Änderungen, die erst nach Ihrem Ausscheiden eintreten, berechtigen Sie nicht, den Aufhebungsvertrag rückgängig zu machen. Wäre im Beispiel der Großauftrag erst im Oktober eingegangen, bliebe Ihr Aufhebungsvertrag bestehen.
Aufhebungsvertrag widerrufen mit welcher Frist?
Sollte Ihnen ein vertragliches Widerrufsrecht zustehen, finden sie die geltende Frist üblicherweise im jeweiligen Abschnitt des Aufhebungsvertrag selbst. In der Regel beträgt die Widerrufsfrist 14 Tage. Die Dauer ist Verhandlungssache.
Die Anfechtung wegen Drohung oder arglistiger Täuschung kann dagegen innerhalb eines Jahres nach Kenntnis der Täuschung oder Ende der Zwangslage erklärt werden.
Geänderte Umstände (Störung der Geschäftsgrundlage) und unfaires Verhandeln sollten Sie so schnell wie möglich geltend machen.
Aufhebungsvertrag rückgängig machen durch Arbeitgeber?
Auch der Arbeitgeber kann den Aufhebungsvertrag unter besonderen Umständen rückgängig machen. Dies ist bei einem vertraglichen Widerrufsrecht der Fall. Ebenso kommt wie beim Arbeitnehmer eine Störung der Geschäftsgrundlage des Aufhebungsvertrages in Betracht.
Beispiel:
Der Aufhebungsvertrag sieht vor, dass Sie in drei Monaten aus dem Unternehmen ausscheiden. In dieser Zeit kommen Sie – entgegen der Vereinbarung – nicht mehr zur Arbeit. Der Arbeitgeber darf Ihnen grundsätzlich fristlos kündigen und den Aufhebungsvertrag inkl. Abfindung aufheben.
Es gilt allerdings, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner „schwächeren“ Stellung in der Regel schutzwürdiger ist. Demnach sind die Hürden für die Rückabwicklung durch den Arbeitgeber nochmal höher.
Folgen des Widerrufs
Sollten Sie vom Aufhebungsvertrag zurückgetreten sein oder den Vertrag widerrufen oder angefochten haben, ergeben sich unter anderem diese Folgen:
- Rückkehr zum ursprünglichen Zustand: Durch den Widerruf tritt der Arbeitnehmer wieder in das Arbeitsverhältnis ein, das vor dem Abschluss des Aufhebungsvertrags bestand. Es gilt also so fort, als wäre der Aufhebungsvertrag nie abgeschlossen worden.
- Bestehen aller Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag: Damit stehen dem Arbeitnehmer auch wieder alle Rechte und Pflichten zu, die sich aus dem ursprünglichen Arbeitsvertrag ergeben.
- Rückzahlung von Abfindungen oder Leistungen: Eventuell erhaltene Abfindungen, Ausgleichszahlungen oder sonstige Leistungen, die im Rahmen des Aufhebungsvertrags vereinbart wurden, müssen nun an den Arbeitgeber zurückgezahlt werden. Ausnahmen können bestehen, wenn Sie den Aufhebungsvertrag wegen einer Täuschung oder Drohung angefochten haben.
- Unter Umständen muss der Arbeitgeber ausgebliebene Gehaltszahlungen nun rückwirkend an Sie nachzahlen.
- Rückgabe von erlangten Vorteilen: Falls der Arbeitnehmer durch den Aufhebungsvertrag bereits Vorteile erhalten hat (z.B. Freistellung, Auszahlung von Urlaubsansprüchen), könnte der Arbeitgeber diese ggf. zurückfordern.
Fazit
- Der Aufhebungsvertrag beendet das Arbeitsverhältnis im Gegensatz zur Kündigung einvernehmlich. Trotzdem können Sie den Aufhebungsvertrag ggf. widerrufen.
- Das ist der Fall, wenn der Arbeitgeber unfair verhandelt hat, Ihnen im Vorfeld gedroht oder Sie arglistig getäuscht hat, Ihnen ein vertragliches Widerrufsrecht zusteht, die versprochene Abfindung ausbleibt oder die Umstände sich seit der Einigung gravierend geändert haben.
- Bedenken Sie, dass der Widerruf etc. meist nur innerhalb einer knappen Frist möglich ist.
- Auch ein Widerruf oder ein Rücktritt des Arbeitgebers ist nicht ausgeschlossen, wobei die Hürden aufgrund seiner geringeren Schutzwürdigkeit in der Regel höher sind.
- Sollten Sie den Aufhebungsvertrag rückgängig gemacht haben, besteht Ihr Arbeitsverhältnis in der ursprünglichen Form fort.
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